Der »Johanna und Eduard Arnhold Platz« –
Eine Initiative zur öffentlichen Erinnerung an Johanna und Eduard Arnhold und das zivilgesellschaftliche Engagement des jüdischen Bürgertums in Deutschland und Berlin
Nicht erst die Corona-Krise hat gezeigt, wie bedeutsam für das soziale und kulturelle Leben nicht allein staatliches Handeln ist, sondern auch ein verstärktes bürgerschaftliches Engagement. Solch tätigem Gemeinsinn fühlte sich in Deutschland, vornehmlich in der Hauptstadt Berlin, in besonderer Weise das jüdisch-deutsche Bürgertum verpflichtet. Ab 1933 wurde dessen Existenz und Wirken von der NS-Herrschaft verdrängt, vertrieben, vernichtet.
I – Der Hauptgedanke
Ziel unserer Initiative ist es, mit einer Würdigung des herausragenden Paars Johanna und Eduard Arnhold zugleich an eine Reihe mit ihnen verbundener, gleichfalls jüdischer Frauen und Männer zu erinnern, die für das öffentliche Leben in Berlin und darüber hinaus für ganz Deutschland einmal prägend gewirkt haben. Sie haben alle in näherer Nachbarschaft im einstigen Berliner Tiergartenviertel gelebt und haben als Unternehmer oder Politiker, als Künstler, Kunstsammler und Kunstförderer, als Galeristen oder Publizisten mit ihren vielfältigen sozialen, philanthropischen Stiftungen und ihrem generösen kulturellen Mäzenatentum ein Vorbild für das geschaffen, was heute als zivilgesellschaftliches Engagement immer mehr beschworen und oftmals vermisst wird. Ihre Namen sind durch die nationalsozialistische Barbarei ab 1933 ausgelöscht worden, ihre Lebensleistung ist aus dem öffentlichen Gedächtnis zumeist getilgt, ihre Gesellschaftsschicht untergegangen – wie auch das frühere Berliner Tiergartenviertel. Dort fehlte für diese einstigen Bewohner lange Zeit eine unübersehbare öffentliche Erinnerung. Allein der Mäzen James Simon wurde aus jenem Kreis jüdischer Bürger mit der nach ihm benannten neuen Galerie auf der Museumsinsel sowie in einem mit Infotafeln versehenen und nach ihm benannten kleinen Park nahe der Museumsinsel zu Recht gewürdigt. Doch für die anderen gab es bis 2024/25 kein ihrer Bedeutung angemessenes, längst überfälliges Zeichen.
Bei dieser Leerstelle im kulturellen Gedächtnis Berlins durfte es nicht bleiben. Darum wirkte der aus dem Arnhold-Initiativkreis entstandene Verein zur Erinnerung an Johanna und Eduard Arnhold e.V. darauf hin, dass im Tiergartenviertel auf dem Kulturforum zwischen Gemäldegalerie, Matthäikirchplatz und dem künftigen Museum »Berlin Modern« ein Ort, der bisher (als sogenannte Piazzetta) urbanistisch eher als Unort erscheint, zum
JOHANNA UND EDUARD ARNHOLD PLATZ
wurde. Die Benennung und feierliche Einweihung ist am 5. November 2024 erfolgt. Zugleich soll dort nicht nur an das Ehepaar Arnhold, sondern in seinem Namen und Geist auch an einige weitere herausragende Persönlichkeiten aus dem nachbarschaftlichen Umfeld erinnert werden.
Der Initiativkreis hatte 2021 hierzu die Künstlerinnen und Künstler
Tatjana Doll
Karin Sander
Lars Krückeberg
Julian Rosefeldt
eingeladen, erste Ideenskizzen für eine mögliche Gestaltung des »Johanna und Eduard Arnhold Platzes« sowie seiner unmittelbaren Umgebung zu erarbeiten.
Diese wurden der Öffentlichkeit im Juni 2021 vorgestellt. Die vier Eingeladenen sind als frühere Stipendiaten der Villa Massimo und Rom-Preisträger mit dem Erbe Arnholds, des Stifters der Villa Massimo, verbunden. Ihre Vorschläge sind gedacht als ästhetische und urbanistische Beiträge zum kulturellen Gedächtnis wie auch als Brückenschlag zur Gegenwart: im Sinne Arnholds und mit Blick auf die hier am Ort versammelten Museen, die Philharmonie und die St. Matthäus-Kirche.
Der Verein zur Erinnerung an Johanna und Eduard Arnhold und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz haben gemeinsam mit den rund um das Kulturforum anrainenden Institutionen (Berliner Philharmoniker, St. Matthäus Stiftung) im Februar 2025 beschlossen, zunächst einen von der Künstlerin Karin Sander konzipierten Audiowalk bis zum Jahr 2026 zu realisieren. Karin Sanders Konzept sieht vor, ausgehend vom Johanna und Eduard Arnhold Platz, in der näheren Umgebung des Kulturforums 10 Stationen mit QR-Codes zu markieren. Abrufbar mit dem Smartphone soll durch pointierte Hörstücke die Erinnerung an das lange vergessene jüdische Mäzenatenehepaar Arnhold sowie an ihre gleichfalls zumeist jüdischen Nachbarn im einstigen Tiergartenviertel wachgerufen werden. Sie haben vor 1933 ein in Berlin und Deutschland einzigartiges Beispiel einer kulturell, sozial und politisch für das Gemeinwohl engagierten Zivilgesellschaft verkörpert. Neben den Arnholds waren das Persönlichkeiten wie James und Eduard Simon, Walther Rathenau, Oscar Huldschinsky, Hedwig Dohm, Else Lasker-Schüler, Pauls Cassirer und Alfred Flechtheim, Tilla Durieux, Julie und Julius Elias oder Theodor Wolff und Hugo Preuß. Ihre Namen
und Leistungen sind durch die NS-Barbarei vielfach bis heute aus dem Gedächtnis gelöscht worden (Hugo Preuß zum Beispiel war der wesentliche Autor der Weimarer Verfassung). Die längste Zeit existierte an sie und ihre Lebensstätten im Berliner Tiergartenviertel keine öffentliche Erinnerung (vgl. dazu Einige bedeutende Bewohner des Tiergartenviertels vor oder bis 1933/1945).
Gegen dieses Vergessen setzt Karin Sander einen perspektivenreich komponierten Audiowalk. Er soll nicht nur das zwischen 1933 und 1945 durch Diktatur und Krieg zerstörte ehemalige Tiergartenviertel ins Gedächtnis rufen, sondern durch historische Zitate wie auch aktuelle Stimmen, Gespräche, Musik, Geräusche in 10 Stationen den Blick auf die heutige Stadt und ihre Menschen öffnen. Erinnern heißt hier Vergegenwärtigen. Karin Sanders künstlerisch-kommunikative Intervention im öffentlichen Raum richtet sich auch an ein jüngeres, diverses Publikum, das mittels Smartphone und QR-Codes in Deutsch oder Englisch Geschichte und Gegenwart Berlins (und Deutschlands) im Umfeld des Arnhold-Platzes auf ingeniöse Weise neu erfahren kann: als Streifzug zwischen Landwehrkanal und Neuer Nationalgalerie, den Museen am Kulturforum, der Philharmonie, dem »T4«-Denkmal, dem gerade entstehenden Museum »Berlin Modern«, der Staatsbibliothek sowie dem Ibero-Amerikanischen Institut und dem Potsdamer Platz. Berlins Pompei und Berliner Präsenz.
In den Sommer 2025 fällt der 100. Todestag von Eduard Arnhold. Zu Beginn einer zweitägigen Präsentation und Hommage der von Arnhold einst gestifteten Villa Massimo – heute offiziell: Deutsche Akademie Villa Massimo Rom – wird im Juli 2025 am Eingang des Berliner Kulturforums auch eine vom Verein zur Erinnerung an Johanna und Eduard Arnhold gestiftete Informationsstele enthüllt werden, die nun dauerhaft mit deutschem und englischem Text an die Arnholds und ihre Nachbarn erinnert. Zudem vergibt der Verein zwei jeweils einjährige Stipendien, die, mit dem Schwerpunkt auf ihre früheren deutsch-jüdischen Bewohner, Arbeiten zum Themenbereich Kultur, Kunst, Architektur, Geschichte im Tiergartenviertel ermöglichen soll.
Diese Aktivitäten des Vereins werden privat finanziert: aus den Mitgliederbeiträgen sowie durch Spenden von Stiftungen und Einzelpersonen. Für hierzu benötigte weitere Zuwendungen ist der Verein dankbar.
Die Welt der Arnholds
Eduard Arnhold (1849–1925), Sohn eines jüdischen Armenarztes aus Dessau, wurde in Berlin bei seiner Karriere vom Lehrling zum Unternehmer einer der führenden Energieversorger des Kaiserreichs. Gemäß seinem ethischen Leitspruch »Reichtum verpflichtet« förderte er neben Künsten und Wissenschaften neue Verkehrswege, Straßenbahnen und Luftschiffe, stiftete für Kunststipendiaten die Villa Massimo in Rom, unterstützte mäzenatisch die großen Museen in Berlin und München, förderte die Akademie der Künste und wurde ihr Ehrensenator, er war Mitbegründer der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (heute: Max-Planck-Gesellschaft) und des Kaiser-Friedrich-Museumsvereins.
Als bedeutendster Sammler und Förderer des Malerfreundes Max Liebermann engagierte er sich zugleich wie kein anderer für die im deutschen Kaiserreich noch verfemten französischen Impressionisten. Seine Frau Johanna Arnhold (geb. Arnthal aus einer jüdischen Hamburger Familie, 1859–1929) stiftete mit ihm zusammen u.a. das »Johanna-Heim«, nordöstlich von Berlin eine vor 1945 einzigartige Lebens- und Bildungsstätte für hunderte Mädchen und junge Frauen aus oft mittellosen Verhältnissen: vom Kinderheim bis zur Oberschule, Lehre oder Studium (eine Schülerin des Johanna-Heims war die Schauspielerin Brigitte Helm, Protagonistin in Fritz Langs Film »Metropolis«). Dieses philanthropische Engagement übertraf sogar die Kosten für den Park und die Bauten der Villa Massimo in Rom, die die bis heute bedeutendste deutsche Kulturinstitution zur Förderung von Künstlerinnen und Künstlern im Ausland darstellt.
Nach dem 1. Weltkrieg engagierte sich Eduard Arnhold auch für die junge Demokratie der Weimarer Republik, wobei ihm sein früheres Eintreten für engere wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen mit den USA, Großbritannien, Frankreichs oder Italien zugutekam.
Johanna und Eduard Arnholds Berliner Häuser in Tiergarten und am Wannsee existieren nicht mehr, Mitglieder der Familie wurden nach 1933 bedrängt, vertrieben oder ermordet, die Kunstsammlung aufgelöst.

Das ehemalige Johannaheim in Werneuchen ist heute unter anderem Namen eine vom Land Berlin an die »Sozialistische Jugend Deutschlands – Die Falken« übertragene, nur temporär arbeitende Bildungsstätte. Einzig eine Infotafel beim bewaldeten Parkplatz erinnert noch an Arnhold.
Was dagegen oft verwechselt wird: Das erhaltene Anwesen der heutigen American Academy am Wannsee gehörte nicht Eduard und Johanna, sondern Hans Arnhold, einem Neffen Arnholds. Dessen nach Amerika emigrierte Nachfahren haben Villa und Garten 1958 der Bundesrepublik Deutschland verkauft und später die dort 1998 eröffnete Academy großzügig unterstützt. Johanna und Eduard Arnholds eigene ehemalige Wannsee-Villa in toskanischem Stil, einst direkt gegenüber der heutigen American Academy, existiert seit den 1930er Jahren nicht mehr; nur der Garten hat sich noch auf einem Gemälde Max Liebermanns erhalten.
Auf dem Grundstück der früheren Stadtvilla Johanna und Eduard Arnholds steht heute ein wesentlicher Teil der Berliner Gemäldegalerie. Das Anwesen der Arnholds, das auch die einst öffentlich zugängliche, zu Beginn des 20. Jahrhunderts künstlerisch wertvollste private Gemäldesammlung Deutschlands beherbergte (mit Gemälden Goyas, Manets, Monets, Pissaros, Renoirs, Böcklins, Lenbachs und zahlreichen Hauptwerken Liebermanns), ist im Zweiten Weltkrieg zerstört worden, nachdem die Villa samt Galerie Ende der 1930er Jahre im Rahmen der von Hitler und Speer betriebenen Neuerrichtung einer Reichshauptstadt »Germania« bereits - wie etliche andere Häuser ehemals jüdischer Besitzer - zum Abriss vorgesehen war.
In der Berliner Gemäldegalerie, deren berühmtester Tizian (»Venus mit dem Orgelspieler«) sich zudem einer Spende Eduard Arnholds mitverdankt, gibt es bisher keine Tafel oder andere Erinnerung an Arnhold. Nun gibt es in Berlin, wo bis zur Nazizeit zwei Straßen nach Arnhold benannt waren, den Johanna und Eduard Arnhold Platz und eine Informationsstele am Eingang zu den Museen am Kulturforum; der Verein treibt das Audio-Projekt von Karin Sander zielstrebig voran und seit Mai 2025 erinnert die Ausstellung »Kunstgeschichte(n) des Tiergartenviertels« der Kunstbibliothek an prominenter Stelle an die Arnholds.
Weiter lesen: Weitere bedeutende Bewohner im Tiergartenviertel
Diese Initiative wird unterstützt von
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Die Ursula Lachnit-Fixson Stiftung unterstützt unseren Verein von Anfang an.